Folge Deiner Bestimmung

Jeder Mensch wird zum Held, wenn er seinem (inneren) Ruf und damit seiner Bestimmung folgt. Dem Mythenforscher Joseph Campbell (1904-1987) haben wir den »Monomythos« zu verdanken, die Erkenntnis, dass in allen Religionen, Mythen, Sagen und Geschichten universell gültige Erfahrungsmuster stecken, die sich auch in der Struktur der menschlichen Psyche wieder finden. Joseph Campbell hat in den weltweiten Mythologien 12 Phasen entdeckt (die »Heldenreise«), die in der Biografie eines jeden Menschen eine Rolle spielen und von zahlreichen Therapeuten und Coaches, wie beispielsweise Paul Rebillot (1931-2010), zu einem wachstumsorientierten Selbsterfahrungstraining weiterentwickelt wurden. Zu besonderer Popularität führte die Heldenreise im amerikanischen Kino. Die »Krieg der Sterne« Filme von George Lucas basieren auf den Motiven der Heldenreise.

Nun ist es so, dass sich das Heldische, Heldenhafte, Heroische gerade in Deutschland nicht mit Ruhm bekleckert hat, musste doch ein ganzes Volk unter ihrem »Führer« hart wie Kruppstahl, zäh wie Leder und flink wie ein Windhund sein, um den Heldenstatus zu erlangen. Doch der Held wird langsam wieder salonfähig: »Bild« sucht den Helden des Alltags 2013, der Freiheitskämpfer Nelson Mandela wird nach seinem Tod wie ein Held in der ganzen Welt gefeiert, und mit unseren Helden der Fußballnationalmannschaft identifiziert man sich gern, besonders wenn sie mutigen und erfolgreichen Angriffsfußball spielen.

In den Heldenmythen, wie sie Joseph Campbell analysiert hat und aus denen er 12 Phasen oder Entwicklungsstufen herausdestilliert hat, geht es aber nicht nur um Äußerlichkeiten wie Erfolgsrezepte für spannende Drehbücher und Bestseller, sondern um ein grundsätzliches Muster, wie Menschen aus Geschichten etwas lernen können für ihren eigenen geistig-spirituellen Entwicklungsweg. Campbell war überzeugt davon, dass jeder Mensch eine Bestimmung in sich trägt und automatisch zum Helden wird, wenn er seiner inneren Stimme folgt, wenn er das tut, was ihn erfüllt. Heldenhaft leben heißt für Campbell, den eigenen, meist unbewussten Aufgaben, die man sich in seinem Leben gestellt hat, entgegen zu leben.

Wer den inneren Ruf dauerhaft ignoriert, kann seine Bestimmung nicht leben, keine der notwendigen Entwicklungsschritte machen und provoziert Neurosen, Psychosen und psychosomatische Krankheiten.

Dummerweise hat der Mensch bei seiner Geburt seine Lebensaufgabe, seine Bestimmung wieder vergessen und muss sie sich im Laufe seines Lebens mühsam wieder in Erinnerung rufen. Dabei helfen ihm Mentoren und spirituelle Begleiter. Er muss diese Aufgabe also nicht allein bewältigen, doch gehen muss er diese Heldenreise zu sich selbst mit ihren Prüfungen, Niederlagen und Siegen aus eigenem Antrieb, niemand kann ihm diese Lebensaufgabe abnehmen. Wer den inneren Ruf dauerhaft ignoriert, kann seine Bestimmung nicht leben, keine der notwendigen Entwicklungsschritte machen und provoziert Neurosen, Psychosen und psychosomatische Krankheiten.

Die 12 Phasen der »Heldenreise« können als Matrix oder Schablone für jeden individuellen Lebensweg dienen, an denen man sich orientieren kann, falls man in eine Lebenskrise geraten sollte.

Genau genommen beinhaltet jeder Lebensweg, jede Heldenreise 12 Krisen, die mit entsprechenden Wandlungen verbunden sind. Es ist also ganz normal, dass man in eine Lebenskrise gerät, sie ist nämlich nichts Schlimmes oder Böses, sondern nur Ausdruck eines anstehenden Entwicklungsschritts, der erst einmal Angst macht, weil er ungewohnt ist und den Menschen aus seinen gewohnten Bahnen reißt. Sieht man sich beispielsweise dauernd mit ähnlichen Lebenssituationen konfrontiert, wo es nicht weitergeht (z.B. wenn man immer an den falschen Partner gerät), lohnt sich ein Blick in das 12-Phasen-Modell seiner Heldenreise, um zu schauen, an welchem Punkt seiner Entwicklung man gerade steht und welchen Entwicklungsschritt man noch nicht gehen möchte. Der innere Grund, warum man gerade an diesem Punkt seine Heldenreise abbricht, ist in vielen Fällen der, dass man als Mensch noch nicht reif ist für die Transformation einer ganz bestimmten Qualität. In der Wiederholung der Ereignisse liegt die Möglichkeit der Reifung. Wenn man diese Wiederholungen als ein Aspekt der heldenhaften Reise wahrnimmt, kann man sehr genau erkennen, an welcher Schwelle ein Weiterkommen bisher verwehrt wurde.

Der Schwellenhüter

Im Übergang von einer Phase in die nächste Phase kommt der Held an eine Schwelle, die von einem Schwellenhüter bewacht wird. Hier droht immer die Gefahr des Scheiterns, doch nicht im Sinn von Versagen, sondern im Sinn von Überforderung. Der Held besitzt noch nicht die geistig-seelische Reife, dass sich ihm dieser Entwicklungsraum öffnet. Der Schwellenhüter (Personen, Naturgewalten, innere Widerstände oder andere widrige Umstände) ist das Gegenbild des Mentors. Auch er erkennt unsere Fähigkeiten, doch fordert er uns auf ganz andere Weise heraus. Er tut dies, indem er sich als scheinbar unüberwindbare Hürde vor uns aufbaut und so unseren Ehrgeiz anstachelt, diese Hürde zu nehmen. Selbstzweifel und Selbstüberschätzung müssen sich die Waage halten, wenn ich diesem Schwellenhüter, der immer in Form einer inneren Krise auftaucht, die Stirn bieten will.

Der Katalysator des Entwicklungsweges: Kontakt

In der Reise des Helden spielt die Kontaktfähigkeit eine große Rolle. Bin ich nicht in Kontakt, herrscht Stagnation, Stillstand und ein niedriges Energieniveau. Bin ich im Kontakt mit meinem Körper und meinen Gefühlen, kann mein Entwicklungsweg beginnen und ich kann die Phasen der Krise durchlaufen. (s. der Weg durch die Krise, PDF, 200 KB) Kontakt ist die die Fähigkeit, mich selbst klar und ehrlich wahrzunehmen mit meinen Gefühlen, Bedürfnissen, Körperempfindungen und Gedanken. Gleichzeitig nehme ich den anderen Menschen als getrennt von mir, als Mensch mit eigenen Bedürfnissen und einer eigenen Identität wahr. Kontaktfähigkeit setzt also einerseits ein gewisses Maß an Aggression (Abgrenzungsenergie) voraus, andererseits ein gewisses Maß an Mitgefühl und Vertrauen, um mich im Kontakt mit dem anderen Menschen zu öffnen. Zur Aggression gehört auch die Fähigkeit, den Rückzug anzutreten und aus dem Kontakt mit anderen zu gehen, um besser mit mir im Kontakt zu sein.

Kontaktvermeidung

Viele Menschen halten sich zwar für kontaktfähig, üben sich aber tatsächlich in Kontaktvermeidung. Die fünf Vermeidungsstrategien sind Ablenkung (Deflektion), Schlucken (Introjektion), Unterstellungen (Projektion), Verschmelzung (Konfluenz) und Unterdrückung (Retroflektion).

  1. In der Ablenkung rede ich über das Wetter statt über die Dinge, die anstehen, zeichne ich mich durch Weitschweifigkeit und Übertreibungen aus, bin ich höflich statt direkt oder ziehe ich Dinge ins Lächerliche und mache Scherze darüber.
  2. Beim Schlucken habe ich Glaubenssätze meiner Umgebung übernommen, ohne sie vorher gründlich durchzukauen und das auszuspucken, was nicht zu mir gehört. Die Glaubenssätze liegen mir schwer im Magen und ich fühle mich oft zum Kotzen.
  3. Bei Unterstellungen nehme ich mein Gegenüber nicht mehr so wahr, wie er ist, sondern blende Interpretationen und Fantasien darüber. Das passiert häufig, wenn ich unangenehme Gefühle abspalte und sie meinem Gegenüber unterstelle, um sie nicht an mir wahrnehmen zu müssen.
  4. In der Verschmelzung hebe ich die Kontaktgrenze zwischen mir und meinem Gegenüber auf und will Harmonie und Nähe um jeden Preis. Ich neige zum Beispiel zur Streitvermeidung, weil ich keinen Konflikt haben will und führe Beziehungen, die symbiotisch sind. In der symbiotischen Beziehung vermeide ich beispielsweise, Störungen zu benennen und betone zu sehr die Gemeinsamkeiten.
  5. In der Unterdrückung gelangen meine Bedürfnisse und Gefühle nicht mehr nach außen, sondern ich wende sie gegen mich selbst. Dies setzt häufig eine Selbstabwertungsspirale in Gang.

Jeder Mensch hat es auf seiner persönlichen Heldenreise mit universell gültigen Abläufen zu tun

Die 12 Phasen der Heldenreise

Ich werde im Folgenden die 12 Phasen der Heldenreise anhand des Films »Krieg der Sterne« skizzieren und das jeweilige Lebensthema mit den Krisen und Wandlungen benennen. Ich halte mich dabei an das Phasenmodell von Christopher Vogler, der mit seinem Buch »Die Odyssee des Drehbuchschreibers« einen dramaturgischen »Heldenreise«-Leitfaden für Drehbuchautoren verfasst hat. Ich setze dabei die lebenslange Heldenreise in Bezug zum Sechsjahresrhythmus der 12 Tierkreiszeichen. Jeder Mensch hat es auf seiner persönlichen Heldenreise mit universell gültigen Abläufen zu tun: Er ist mit der momentanen Situation unzufrieden, ignoriert aus Angst oder Bequemlichkeit den Ruf zur Veränderung, macht sich dann doch auf den Weg, trifft Unterstützer und Verbündete, erprobt seine Fähigkeiten, erkennt seinen größten inneren Feind, entreißt ihm in einem Kampf auf Leben und Tod ein Elixier (Wissen, Erkenntnis), wird bei der Rückkehr von seinem inneren Feind verfolgt und besiegt ihn endgültig (Transformation) und kehrt als »Herr zweier Welten« (Alltagsleben und neues Wissen) mit seinem Elixier in seine Welt zurück und lässt die Welt an seinem neuen Wissen teilhaben.

Auf unserer großen, lebenslangen Heldenreise führt uns unser Unterbewusstsein immer wieder in Lebenssituationen, die uns unsere Bestimmung, unsere Lebensaufgabe bewusster machen. Im Laufe des Lebens gewinnt unsere Lebensaufgabe immer mehr an Kontur. Neben der großen, lebenslangen Heldenreise gibt es bei vielen größeren Entscheidungen noch viele kleine Heldenreisen, die auch die 12 Schwellen beinhalten. Hier kann der Held üben, Fähigkeiten erproben und Hinweise bekommen, die ihm im Hinblick auf die große Heldenreise nützlich sind.

1. Phase: Prolog – Pränatal bis zur Geburt

Der Prolog ist die Zustandsbeschreibung einer Ausgangssituation. Der Held lebt glücklich und zufrieden. Im Helden regt sich aber schon die Sehnsucht nach einer Veränderung, aber noch ist der Leidensdruck und die Unzufriedenheit nicht groß genug.

Luke Skywalker, der Held aus »Krieg der Sterne«, führt ein behütetes Leben auf seiner heimatlichen Farm und langweilt sich.

Lebensthema, Lebenskrise und Wandlung: Der Mensch ist in einem paradiesischen Zustand ganz der Dynamik seiner Entwicklung unterworfen. In der vorgeburtlichen Mutterhöhle sind wir total sicher und gleichzeitig wird es uns langsam zu eng. Die erste Krise ist die totale Abhängigkeit vom Mutterleib bei gleichzeitiger körperlicher und seelischer Entwicklung, die Geburt ist die erste Wandlung und Überschreitung der ersten Schwelle.

2. Phase: Der Ruf (0 – 6 Jahre)

Der Held befindet sich in einer unbefriedigenden Lebensphase, in der etwas fehlt und die einer Veränderung bedarf. Plötzlich ereilt ihn von außen ein Ruf. Er sieht sich einer Aufgabe gegenübergestellt, die diesem Zustand ein Ende bereiten könnte.

Luke erhält den Ruf durch eine verzweifelte holografische Nachricht von Prinzessin Leia an den weisen Obi-Wan Kenobi, der nun seinerseits Luke bittet, an der Rettungsaktion teilzunehmen. Leia wird vom finsteren Darth Vader gefangen gehalten, ihre Befreiung ist das einzige Mittel, um das Gleichgewicht im Universum wieder herzustellen.

Lebensthema, Lebenskrise und Wandlung: Die Phase der Ich-Bildung. Wir nehmen die Welt über die Vorstellung anderer Menschen wahr. Mit drei Jahren erwacht das Ich und wir beginnen in der Trotzphase, uns von den Eltern abzugrenzen. Bis zum 6. Lebensjahr haben wir Zeit, unsere Fähigkeiten soweit zu entwickeln, dass wir ein stabiles Ich bilden können. Die zweite Krise beginnt mit sechs Jahren, wenn wir das Elternhaus verlassen und wir uns in einer neuen sozialen Umgebung (Schule) zurechtfinden müssen. Die Wandlung tritt ein, wenn wir uns langsam von der Behütung durch die Eltern ablösen und in einen größeren sozialen Raum treten, indem wir viel mehr lernen können.

3. Phase: Verweigerung/Akzeptanz (7 – 12 Jahre)

Der Held zögert dem Ruf zu folgen, entweder weil er die Sicherheiten nicht aufgeben will oder weil er glaubt, der Herausforderung nicht gewachsen zu sein. Der Held lässt sich schließlich umstimmen, überwindet seine Zögerlichkeit und macht sich auf die Reise.

Im »Krieg der Sterne« sieht die Weigerung so aus, dass Luke auf die Bitte des Obi-Wan Kenobi nicht eingeht und zur Farm seiner Tante und seines Onkels zurückkehrt. Erst als er sie dort von den Sturmtruppen des Imperiums niedergemetzelt sieht, zögert er nicht länger, dem Hilferuf zu folgen. Das Böse des Imperiums hat jetzt für ihn eine persönliche Bedeutung angenommen. Luke hat ein Motiv.

Lebensthema, Lebenskrise und Wandlung: In der Zeit zwischen 7 und 12 Jahren werden wir mit der physischen Welt konfrontiert und erliegen deren Faszination. Man erschafft sich sein eigenes kleines Universum mit viel Spiel, Fantasie, Reden und Bewegung. Man schließt viele Freundschaften, bildet Cliquen, begibt sich in soziale Gemeinschaften (Vereine). Mit 9 Jahren ist die Ich-Bildung abgeschlossen. Man erlebt sich zum ersten Mal als komplett verschieden von den Eltern, was eine Realitätskrise auslösen kann. Mit 12 beginnt die Vorpubertät und damit die 3. Krise, die in der Pubertät und der Entdeckung der Geschlechtlichkeit und der romantischen Liebe ihre Wandlung erlebt.

4. Phase: Der Mentor (13 – 18 Jahre)

Der Held trifft unerwartet auf Hilfe durch einen oder mehrere Mentoren. Das können Götter, Magier, Lehrer (auch in Form von Büchern, Musik oder Filmen) oder ganz gewöhnliche Menschen sein, die die Fähigkeit haben, in dem Helden das zu erkennen, was er selbst für sich noch nicht erkannt hat. Der Mentor weiß um die Mission des Helden und fördert dessen Talente, die dieser zur Verwirklichung seiner Aufgabe benötigt.

Im »Krieg der Sterne« erhält Luke von Obi-Wan Kenobi das Lichtschwert seines Vaters, ohne das er die Kämpfe mit den Mächten der Finsternis nicht bestehen könnte.

Lebensthema, Lebenskrise und Wandlung: In der Zeit zwischen 13 und 18 Jahren werden die Ideale und die Willenskraft ausgebildet. Man entdeckt in der Pubertät sein eigenes Geschlecht und fühlt sich zum Gegengeschlecht hingezogen. Es ist die Zeit des ersten Liebeskummers und der Identitätskrisen. Die 4. Krise beginnt mit der Ablösungsphase vom Elternhaus (durch Ausbildung, Studium, Bundeswehr, Soziales Jahr) und dem Eintritt in die Adoleszenz.

5. Phase: Der Test (19 – 24 Jahre)

In der fünften Phase hat der Held die Möglichkeit, das, was er von seinem Mentor gelernt hat, auszuprobieren, zur Fähigkeit umzuwandeln. Sollte er bei diesem Test versagen, so bedeutet das nicht seinen Untergang. Es ist ein Test, der immer wiederholbar ist – eine Übung.

Obi-Wan Kenobi lehrt Luke die Geheimnisse der Macht, indem er ihn mit verbundenen Augen kämpfen lässt. In den ersten Laserschlachten mit den Streitmächten des Imperiums kann Luke sich bewähren.

Lebensthema, Lebenskrise und Wandlung: Die Ablösungsphase vom Elterhaus ist eine Sturm und Drang Zeit, in der man viel eigene Lebenserfahrung sammelt. In dieser Zeit wird viel durch die Welt gereist, lernt man viele Menschen und Liebschaften kennen, probiert man verschiedene Lebensentwürfe und Modelle des Zusammenlebens aus. Die 5. Krise beginnt, wenn man anfängt, Verantwortung zu übernehmen, sich eine berufliche Existenz aufzubauen und ernsthafte Beziehungen zu führen, die zu einer Familiengründung und damit zur Sesshaftigkeit führen kann.

6. Phase: König/Königin für einen Tag (25 – 30 Jahre)

Die sechste Phase ist gekennzeichnet durch einen ersten großen Sieg. Die erste große Schwelle ist genommen und der Held neigt zur Selbstüberschätzung. Er triumphiert über einen Gegner, der noch nicht der eigentliche Herausforderer ist.

Luke Skywalker landet in einer miesen Bar, in der sich der Abschaum der Galaxis zum Saufen trifft. Jetzt kommt der Moment des Beschnupperns, wo der Held seine Gegner kennen lernt. Er trifft auf den Nebenbösewicht Jabba the Hutt und wird von den Sturmtruppen des Imperiums verfolgt, die er jedoch abschütteln kann, auch weil er mit Han Solo einen Verbündeten bekommt.

Lebensthema, Lebenskrise und Wandlung: Dies ist die Zeit des Aufbaus einer beruflichen Existenz und das Eingehen ernster Liebesbeziehungen. Mit dem Höhepunkt der physischen Kräfte einher geht die 6. Krise, die erste existentielle Krise im Leben eines Menschen, an der viele Künstler gescheitert sind, in dem sie Selbstmord begangen haben (Brian Jones, Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison, Kurt Cobain, Amy Winehouse). In dieser Zeit stellt sich ein grundsätzlich neues Gefühl dem Leben gegenüber ein, das von Verantwortung sich selbst und anderen gegenüber gekennzeichnet ist. Es handelt sich um ein Abschiednehmen von der Unbefangenheit der Jugend und das Erahnen einer künftigen Verantwortung, der sich viele Menschen nicht stellen wollen.

7. Phase: Die Göttin (31 – 36 Jahre)

In der siebten Phase dringt der Held bis zur tiefsten Höhle, zum gefährlichsten Punkt, zum empfindlichsten Kern vor und trifft dabei auf den größten (inneren) Feind. Die Mission ist noch nicht erfüllt und Ernüchterung macht sich breit. Neid, Missgunst und Verrat begleiten ihn auf seinem Weg. Es ist der vergebliche Versuch, Kontrolle über die äußeren und inneren Umstände zu erlangen.

Luke und seine Verbündeten geraten in das Schwerefeld des Todessterns, auf dem sie schließlich Darth Vader gegenüberstehen und Prinzessin Leia retten können.

Lebensthema, Lebenskrise und Wandlung: Bis zum 36. Lebensjahr wird das Haus gebaut, der Baum gepflanzt und die Nachkommen gezeugt. Auf der Suche nach Selbstbestätigung befindet man sich im beruflichen Existenzkampf und baut Verteidigungspositionen auf. Es ist der Höhepunkt der Vitalität erreicht, ab jetzt geht es körperlich bergab. In dieser Zeit gilt es, das Milieu, von dem man noch im Prolog total abhängig war, so umzuwandeln, dass es dauerhaft unserer Lebensaufgabe gerecht wird. Die Euphorie des ersten Sieges verwandelt sich die ernüchternde Frage: Wie werde ich erwachsen und wie kann ich dauerhaft das Gelernte aus Kindheit und Jugend zu einem eigenverantwortlichen Leben umgestalten?

8. Phase: Die Veränderung (37 – 42 Jahre)

In der achten Phase entgleiten dem Held die Dinge, die er bereits unter Kontrolle zu haben glaubte. Er befindet sich in der Unterwelt, wo die entscheidende Prüfung, die Konfrontation und Überwindung des Gegners stattfindet.

Luke gerät auf dem Todesstern in eine gigantische Abfallmühle und wird dort von einem krakenhaften Untier solange unter Wasser gedrückt, dass man sich fragen muss, ob er nicht womöglich schon tot ist.

Lebensthema, Lebenskrise und Wandlung: In der extrovertierten Phase der intensiven Beziehungen und geschäftlichen Verbindungen naht am Horizont das 42. Lebensjahr (hier treffen der Sechsjahresrhythmus der 12 Tierkreiszeichen und der Siebenjahresrhythmus der Planeten zusammen) mit der die Charakterbildung beendet ist und eine Phase der Wandlung beginnt. Man steht auf der Schwelle zur Entwicklung der geistig-seelischen Individualität, es beginnt die Suche nach dem spirituellen Sinn des Lebens. Der Ruf, der am Anfang unserer Reise von außen an uns herantritt, wird nun zu einem inneren Ruf des Selbst ans Tagesbewusstsein.

9. Phase: Der Dolchstoß – die Unterwelt (43 – 48 Jahre)

Der Held kann nun den Schatz, den Gral, das Schwert, die Belohnung oder das Elixier (konkret: ein Gegenstand oder abstrakt: neues Wissen oder neue Erfahrung) mit trickreichen Mitteln aus den Händen des Drachen rauben. Es ist der Moment, vor dem der Held ein Leben lang am meisten Angst gehabt hat, er begegnet seinem dämonisierten Schatten. Danach ist nichts mehr wie vorher. Es gibt keine Möglichkeit der Rückkehr. Der Schatz ist die Belohnung für den Mut, sich seiner größten Angst zu stellen.

Luke rettet nicht nur die Prinzessin Leia, sondern gelangt auch in den Besitz der Pläne des Todessterns, die im künftigen Kampf gegen Darth Vader eine wichtige Rolle spielen.

Lebensthema, Lebenskrise und Wandlung: Die Erfüllung kann nicht mehr in der Anhäufung von materiellen Gütern liegen, sondern in der seelisch-geistigen Entwicklung. Ich bringe den Mut auf, mich auf Dinge einzulassen, deren Ende und Folgen ich nicht absehen kann. Diese Lebensphase ist geprägt von der Midlife-Krise, einer großen Umwandlungs- und Auflösungsphase, an deren Ende eine Neugeburt stehen kann. In dieser Phase wird noch einmal nach neuen privaten und beruflichen Wegen gesucht und es findet ein mühseliges Schattenboxen mit sich selbst als Gegner statt. Die Mission des Lebens rückt nach der Begegnung mit dem Schatten ungehindert von familiären Strukturen in den Vordergrund. Aus der Konfrontation mit der physischen Welt und deren Faszination wird die Konfrontation mit der geistig-seelischen Welt und der Faszination des Dunklen.

10. Phase: Die Rückreise (49 – 54 Jahre)

Der Held zögert, in die Welt des Alltags zurückzukehren. Das Böse, Dunkle bietet all seine Verführungskunst auf, den Held für sich zu gewinnen, damit er als Bewohner der Unterwelt dem Bösen verpflichtet bleibt. Damit die Transformation zum Guten gelingt, erinnert sich der Held seiner Werte, die ihm der Mentor vermitteln konnte. Der Held ist nun bereit, seine Wanderjahre zu beenden und den Weg nach Hause zurück zum Licht zu finden.

»Meine Ideale helfen mir nicht die Welt zu verändern, aber sie helfen mir darin zu überleben«, entgegnet Luke seinem Vater Darth Vader, als dieser ihn auf die Seite der dunklen Macht ziehen will. Die Erinnerung an die Ideale seines Mentors Obi-Wan Kenobi versetzt ihn in die Lage, diese Versuchung der Finsternis abzuwehren. Verlockend ist die Versuchung, das Wissen über die dunkle Seite der Macht für sich zu behalten, doch dann müsste er seine Ideale verraten und zur dunklen Seite überlaufen. Er verweist die Versuchung, seine Fähigkeiten zu missbrauchen, auf ihren Platz zurück ins Dunkel.

Lebensthema, Lebenskrise und Wandlung: Diese Phase steht unter dem Motto »Bildung einer eigenen Lebensphilosophie«. Ich kann meine Verstrickungen mit der Kindheit endgültig überwinden und entwickle eine gewisse Gelassenheit gegenüber dem Drama des Lebens. Die Krise über den Sinn des Lebens wird durch die Bildung von spirituellen Werten überwunden. Ich bin auf dem Weg, selbst zum Mentor zu werden, die Ideale meiner Mentoren und die eigene Einsicht lassen etwas Eigenes entstehen, dass ich weitergeben möchte. Es ist auch der Versuch, über die irdische Triebnatur hinauszuwachsen und zur wahren Erkenntniskraft zu gelangen, auch wenn die Todsünde der „Geilheit“ (und alle anderen Todsünden) in Form von verführerischen Gelegenheiten an unsere Tür klopft.

11. Phase: Tod und Auferstehung (55 – 60 Jahre)

In dieser Phase schneidet das Dunkle und Böse dem Held den Weg ab. Es kommt zum alles entscheidenden Endkampf, in dem sich zeigen wird, ob der Held nun den endgültigen Sieg erringt oder als Unterlegener zur Legende wird. Sollte er zur Legende werden, führt ein anderer Held den Kampf für ihn weiter. Meist ist es eine völlig ausweglose Situation, der sich der Held gegenübersieht. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als am Ende seiner Kräfte loszulassen und zu vertrauen: Und siehe da, statt ins Bodenlose zu stürzen, spürt der Held zu seiner großen Überraschung, wie er von einer Kraft getragen wird, die weitaus größer ist als alles, was er bisher kannte und was ihn bisher hielt.

Die Trilogie »Krieg der Sterne« spielt durchgehend mit diesem Element. In allen drei Filmen gibt es noch eine letzte Schlacht, in der Luke beinahe umkommt, um dann auf wunderbare Weise doch noch zu überleben. Aus jeder dieser Prüfungen geht Luke mit mehr Wissen und mehr Befehlsgewalt über die dunkle Seite der Macht hervor. Seine Erfahrungen haben ihn zu einem anderen Menschen werden lassen.

Lebensthema, Lebenskrise und Wandlung: Über die Isolation und Resignation gelange ich zur Individuation. Das Erlebnis von Tod und Auferstehung verwandelt den Menschen grundlegend, und er kann nun als wiedergeborenes Wesen mit neuen Einsichten in das Leben zurückkehren. Eine tiefgehende Wandlung kann nur stattfinden, wenn sie durch den »Todespunk« geht. Erst wenn ich die Erfahrung des Todes akzeptiere, wächst die Ehrfurcht und die Freude am Leben. Vom Mut über die Gelassenheit führt uns diese Phase in die Weisheit, die darüber entscheiden kann, wann es besser ist, Mut aufzubringen oder sich in Gelassenheit zu üben bei Dingen, die wir nicht ändern können.

12. Phase: Das Elixier – Herr über zwei Welten (61 – 66 Jahre)

In der abschließenden 12. Phase überschreitet der Held die Schwelle zur Alltagswelt, aus der er ursprünglich aufgebrochen war. Er trifft auf Unglauben oder Unverständnis, muss das neu Gefundene in das Alltagsleben integrieren und weitergeben an jene, die es nötig haben, ohne etwas für sich zu behalten. Der Held ist jetzt Herr über zwei Welten: Er vereint das Alltagsleben gegenüber dem Bösen, dass er in sich transformieren konnte und lässt die Gesellschaft an seiner Weisheit teilhaben.

Luke besiegt Darth Vader und stellt im Universum wieder Ruhe und Frieden her.

Lebensthema, Lebenskrise und Wandlung: In dieser Phase ernte ich die Früchte meines lebenslangen Lernens. Ich werde endgültig zum Mentor für Menschen in einer Krise, weil ich meine Erfahrung weiter geben kann, wie man Krisen überwindet. Die Weitergabe des Elixiers geschieht in aller Bescheidenheit im Gegensatz zum Triumph auf der sechsten Schwelle (König für einen Tag). Aus dem Helden für einen Tag wird ein Held für ein Leben. Am Ende der 12. Phase beginnt der Eintritt in das Rentenalter und der Beginn des Alterungsprozesses. Jetzt gilt es, eine Fähigkeit in mir zu entwickeln, die zur Berufung werden kann und mir auch einen Platz im Sozialen sichert.

Das Modell der Heldenreise ist ein Modell zur erfolgreichen Krisenbewältigung.

Erfolgreiche Krisenbewältigung

Das Modell der Heldenreise ist ein Modell zur erfolgreichen Krisenbewältigung. In jeder Phase seines Lebens kann man sich frei entscheiden, ob man aus der momentanen Situation lernen und damit wachsen oder sich lieber schützen will und damit die Sicherheitsvariante wählt. Verweigert man sich dauerhaft dem wachstumsorientierten Denken und frönt einem selbstbeschränkenden Selbstbild, droht Stagnation und eine große Unzufriedenheit im Leben, die oft in psychische und psychosomatische Störungen mündet. Der Weg des Helden ist es, sich den jeweiligen Lebensthemen zu stellen und damit erwachsen, reif und authentisch zu werden. Der Held ist nach der Heldenreise ein anderer geworden. Er hat sich seinen Dämonen, seinen Schatten gestellt und ist zu dem Menschen geworden, der er ist. Der Erfinder der Heldenreise, Joseph Campbell sagt: »Das Privileg Deines Lebens ist es, Du selbst zu sein.«

entnommen der Zeitschrift „Connection“ Text von Oliver Bartsch

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